Natur pur: Der Banff Nationalpark in Kanada

Lange Zeit haben wir uns nach ihr gesehnt und jetzt sind wir endlich da: Nach 17 Tagen auf dem Schiff und 3 Tagen im überfüllten Manhattan erreichen wir in Kanada die unberührte Natur. Insgesamt werden wir einen Monat in Kanada verbringen. Einem Land, von dem Claudia und ich bisher nur Toronto und die Niagara Falls kennen. Dieses Mal fliegen wir von New York aus über Montréal nach Calgary, wo wir ein Auto mieten und einen ersten Stopp in Canmore einlegen. Canmore liegt direkt am Eingang zum Banff Nationalpark, einem wunderschönen Stück Wildnis, in dem man Grizzlybären, Schwarzbären, Elche, Wölfe und Karibus in freier Wildbahn treffen und bestaunen kann.  

 

Schon auf unserer Schiffsreise fällt die extreme Freundlichkeit der Kanadier auf. Jeder fragt dich, wie es dir geht (und wartet auch wirklich eine Antwort ab), man hält sich gegenseitig die Tür auf, hält ohne Ausnahme am Fussgängerstreifen, unterhält sich an der Supermarktkasse und lässt sich an Kreuzungen (die meist ohne Rechtsvortritt funktionieren) nach dem Motto "Wer zuerst da war, darf auch zuerst fahren" den Vortritt. Insgesamt scheinen die Kanadier viel entspannter durchs Leben zu gehen, als wir das in unserer Heimat kennen und diese Einstellung ist eindeutig ansteckend.  

 

Bei unserer Ankunft in Calgary spüren wir zum ersten Mal auf unserer kompletten Reise ein leichtes Jetlag. Auf dem Schiff war das Thema Zeitumstellung für uns ideal: Bei der Atlantiküberquerung wird die Uhr alle paar Tage um eine Stunde zurückgestellt, was einfach bedeutet, dass wir immer mal wieder eine Stunde länger ausschlafen konnten. Da unsere Kinder sowieso zur Fraktion der Langschläfer gehören, genossen wir also die morgendliche Entspannung, während andere Familien fast am Rad drehten, weil ihre Kleinen plötzlich nicht mehr um 6 Uhr, sondern um 3 Uhr nachts putzmunter waren...

 

Zusätzlich zum Jetlag bekomme ich eine Erkältung und damit taucht bei mir auch erstmals ein leichtes Heimweh auf, das sich schnell auch auf Maël überträgt. Es ist ein Zeitpunkt, über den wir schon in vielen Reiseberichten gelesen haben. Die erste Aufregung ist vorbei und auch beim Reisen kehrt eine gewisse Alltagsmüdigkeit ein, die meist mit der Geschwindigkeit und dem damit einhergehenden "sich ständig auf Neues einlassen und anpassen müssen" zu tun hat. Maël vermisst Muttenz, unser Haus, die Grosseltern und all seine Freunde und ich selber würde mich sooooo freuen, wenn plötzlich jemand unserer Freunde durch die Türe spazieren und den Tag mit uns verbringen würde. Wir merken, dass wir vom Reisen eine kleine Pause brauchen und beschliessen deshalb in Canmore nicht nur ein paar Tage sondern gleich zwei Wochen zu verbringen. Schon nach wenigenTagen merken wir, dass diese Entscheidung goldrichtig war. Es tut gut, anzukommen, zu verweilen, einen Ort etwas besser kennenzulernen und wieder Luft zum Nichtstun zu erhalten.

 

Wir wohnen hier in Canmore in einem kleinen Häuschen mit zwei Stockwerken. Die Aufteilung ist ideal: Wir haben zwei Schlafzimmer, ein Badezimmer mit Badewanne, eine vollausgestattete Küche, einen grossen Esstisch, eine zusätzliche Toilette, ein bequemes Sofa und einen wunderschönen Kamin, vor dem wir uns jeden Abend versammeln. Im Gegensatz zum sehr touristischen Banff ist Canmore ein schönes Städtchen mit allem, was man braucht und einer sagenhaften Umgebung. Wir fühlen uns schnell zu Hause und somit wird auch das Heimweh immer weniger.

 

In den zwei Wochen, die wir hier verbringen, sind wir täglich stundenlang draussen an der frischen Luft. Wir wandern an Seen, Flüssen und Wasserfällen entlang, bestaunen atemberaubende Berge und beobachten alle paar Minuten Eichhörnchen und Streifenhörnchen, die man hier an jeder Ecke findet. Trotzdem befindet man sich hier in einem Gebiet, in dem der Mensch auf die Wildnis trifft. Gewandert wird nur mit griffbereitem Bärenspray, mit dem man sich im Notfall verteidigen könnte. Ausserdem tragen wir stolz unser Bärenglöckchen, welches wir von Philippe und Sabrina geschenkt bekommen haben. Das Glöckchen soll die Wildtiere (in dieser Jahreszeit neben den Bären auch brünstige Elks) warnen, wobei dieses Warngeräusch jedoch sicherlich vom Lärm unserer beiden Mäuse regelmässig übertönt wird... ;-)

Claudia und Maël sind übrigens die Glückspilze, die schon in den ersten Tagen aus dem Auto einen Bären sichten, während ich ein Déjà-vu habe: Wenn ich schon als einzige in der Familie keinen Wal sehe, warum sollte ich dann das Glück haben, einen Bären zu Gesicht zu bekommen... :-( Einen Tag fahren wir deshalb zurück nach Calgary, wo wir den Zoo besuchen. Hier sehe auch ich endlich meinen Grizzly- und meinen Schwarzbären. Der Zaun lässt sich ja mit moderner Technik wegmogeln... ;-)

Auch wenn wir aus budget- und familientechnischen Gründen keine Restaurants besuchen, erleben wir in der eigenen Küche kulinarisch einige Höhepunkte: So renne ich selber schon am ersten Tag in den Supermarkt, um den Porridge mit Dinosaur Eggs zu kaufen, den ich noch aus meinen zwei Reisen nach Toronto kenne. Da schüttet man sich neben den Haferflocken kleine Zucker-Dinoeier in die warme Milch, die dann schmelzen und was kommt raus: Kleine Zucker-Dino-Babys!!! :-) Könnte das Leben schöner sein?!?

 

Doch auch trotz kitschiger Zuckerrauschmomente kommt man manchmal auf den Boden der Realität zurück. So ziemlich genau zur Halbzeit in Canmore wird uns der heimelige Kamin zum Verhängnis. Léan stolpert und landet mit ihrem rechten Arm komplett auf der glühendheissen Schutzscheibe. Die Brandwunde sieht schlimm aus und nach zehn Minuten unter dem kühlen Wasser setzen wir uns ins Auto und düsen Richtung Emergency... Zum zweiten Mal auf unserer Reise muss sich die kleine Maus trotz Panik von Ärzten untersuchen und behandeln lassen. Zum Glück sind die Menschen hier genauso toll, wie wir es bisher überall in Kanada erlebt haben: Wir werden sofort an allen anderen Patienten vorbei geschleust, ohne Zeitverlust behandelt und die Kinder bekommen sogar ein Eis geschenkt. Wir verlassen das Krankenhaus mit einem dicken Verband, einem laut Léan "grusigen" Sirup gegen die Schmerzen und einer Kreditkarte, die mit rund 2000.-- CHF belastet wurde... Wir sind froh, dass wir unsere Reise grosszügig budgetiert haben. Noch froher sind wir jedoch, dass Léan schon eine Stunde nach dem Unfall wieder lacht und tanzt und uns einmal mehr mit ihrer unglaublichen Stärke und Fröhlichkeit beeindruckt... 

 

Vier Tage vor unserer Weiterreise und pünktlich zum Beginn der Herbstferien in der Schweiz erleben wir dann noch den ersten Kälteeinbruch im hohen Norden: Es ist September und es schneit. Auf einem Spielplatz, auf dem unsere Kinder in der Zwischenzeit problemlos auf andere Kinder zumarschieren, sich mit "Hi, my name is Maël/Léan. Can I play with you?" vorstellen und dann in kürzester Zeit richtige Freundschaften (inklusive Umarmungen zum Abschied) schliessen, verrät uns eine einheimische Mutter, dass hier im "richtigen" Winter häufig -30° auf dem Thermometer stehen. Das erklärt auch, weshalb die Kanadier auch jetzt noch in Shorts und Flip Flops rumschlendern, während wir uns im Supermarkt schnell noch ein Paar Handschuhe in den Einkaufswagen legen. Zum Glück habe ich meine Frau dabei, die fast ganzjährig in kurzen Hosen rumläuft - so wird die Familienehre wenigstens etwas erhalten...

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Kommentare: 1
  • #1

    Alexandra 2. (Sonntag, 06 Oktober 2019 10:32)

    Ohhh die armi Muus! Wie gohts ihre? Krankekasse zahlt nid im usland oder wie? Tolle bricht!!!! Sooo schön soviel z läsä! Wie wäsche dir eigentlich?