Vor 18 Jahren war ich schon einmal in Neuseeland. Damals hatte ich gerade die Maturprüfung hinter mir und wollte etwas von der Welt sehen. Also hab ich ein halbes Jahr lang in einer Fabrik Klobürsten verpackt und bin dann mit dem Geld erst mit einer Freundin einen Monat lang durch Nordeuropa gereist und dann wagemutig ans andere Ende der Welt geflogen.
In Wellington, der Hauptstadt Neuseelands, habe ich drei Monate lang eine Sprachschule besucht, was mich danach tatsächlich dazu gebracht hat Englisch zu studieren - nachdem ich es an der Sekundarschule und am Gymnasium genauso wie alle anderen Fremdsprachen so richtig gehasst hatte... Erinnern kann ich mich vor allem an den langen Flug, viel Wind, einen netten Südkoreaner, zwei tolle Gastfamilien, eine chinesische Gastschwester, neue Freundinnen, eine Rundreise durch die Südinsel und ein erstes öffentliches Coming Out in weiter Ferne, wo ich mich geschützter fühlte als zu Hause, wo mich jeder kannte...
Schon damals wusste ich, dass ich irgendwann einmal wiederkommen würde. Zu dieser Zeit träumte ich noch von meiner eigenen Familie (und sah noch nicht wirklich Licht am Horizont...) - und heute habe ich sie tatsächlich im Schlepptau. Wellington, wir kommen!
Die Strecke von Rotorua nach Wellington ist wunderschön. Wir kommen an verschneiten Vulkankegeln und grünen Hügellandschaften vorbei, die mich an das Auenland der Hobbits erinnern. Da die Strecke ziemlich lang ist und wir die Kinder nicht überstrapazieren wollen, übernachten wir auf halber Strecke auf einem kleinen Campingplatz in Mangaweka. Hier gibt es eigentlich gar nichts und doch ist alles perfekt: Wir übernachten in einer winzigen, gemütlichen Cabin (die uns abermals an Bilbo und Frodo erinnert) und sind umgeben von Eseln, Schafen, Ziegen, Enten, Alpakas, Schweinen und Ponys. Als Highlight dürfen wir zweimal die acht Wochen alten Lämmchen mit dem Fläschchen füttern, in die wir uns alle Hals über Kopf verlieben. So kommen wir am nächsten Morgen auch erst kurz vor Mittag weiter - und sind uns einig, dass man hier auch ruhig einen Tag mehr hätte verbringen können...
Und dann geht es auch schon ab in die Hauptstadt. Als ich von weitem die Kulisse aus Hochhäusern und Hafenbucht erspähe, merke ich, wie mein Herz höher hüpft. Auch nach 18 Jahren fühle ich mich irgendwie zu Hause und ich bin gespannt, was ich alles wiedererkennen werde. Wir wohnen in diesen Tagen etwas ausserhalb von Wellington in Lower Hutt, wo uns der Wind am unserer Wohnung direkt gegenüberliegenden Strand nur so um die Ohren bläst. Ja, der liebe Wind ist wohl das bekannteste Aushängeschild der Stadt am anderen Ende der Welt... Und eindeutig auch der Punkt, mit dem sich Claudia wohl nie wird anfreunden können... ;-)
In Wellington besuchen wir zwei Mal Te Papa, das Nationalmuseum Neuseelands, und kommen trotzdem nicht dazu uns alles anzuschauen. Wir lernen hier viel über die einheimische Tierwelt, die Kultur der Maori, die Einwanderungsströme im letzten Jahrhundert und Neuseelands Risiko als Schmelztiegel von Vulkanen, Erdbeben und Tsunamis.
Vom Museum aus spaziere ich ausserdem durch die Stadt und versuche die Orte und Strassen zu finden, in denen ich vor 18 Jahren für eine kurze Zeit zu Hause war. Ich kann mich an keinen einzigen Strassennamen erinnern. Und trotzdem leiten mich meine Füsse immer weiter, bis ich plötzlich vor der ehemaligen Sprachschule stehe und mir alles plötzlich wieder bekannt vorkommt. Die Sprachschule selbst existiert heute übrigens nicht mehr und das Haus ist zurzeit nur eine grosse Baustelle. Ich schlendere also weiter durch die Stadt und fahre mit dem Cable Car hoch zum Botanic Garden, von wo aus man die ganze Stadt überblicken kann.
In Wellington besuchen wir ausserdem noch einen Indoor-Spielplatz, auf dem sich die Mäuse so richtig austoben können und den Zoo. Dieser hat jedoch nicht sonderlich viel zu bieten - aber gelohnt hat sich's trotzdem: Nachdem Claudia an der Kasse nach ihrem Studentenausweis gefragt wurde, ist der Wind nämlich nicht mehr ganz so schlimm... ;-) Und so sage ich gemeinsam mit meiner jugendlichen Geliebten und unseren beiden Kindern (wie kann man nur so früh Mutter werden - unverantwortlich ist so was!) der Nordinsel tschüss und freue mich auf die Südinsel und den damit beginnenden zweiten Teil unserer Reise am anderen Ende der Welt...
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