Über Routenänderungen, Wale und Glühwürmchen

 

 

Von Nelson aus ist die Route für die letzten zweieinhalb Wochen Neuseeland eigentlich schon geplant: Wir wollen die Westküste runterfahren und uns dabei die Pancake Rocks, den Franz Josef Gletscher und Wanaka anschauen, bevor wir über Queenstown und Te Anau ganz in den Süden fahren. Wir freuen uns darauf nach zwei Wochen Boxenstopp in Nelson wieder weiterzureisen und die Südinsel zu erkunden. 

 

Die Rucksäcke sind akribisch gepackt und wir sind bereit zur Abreise – als uns plötzlich eine Nachricht unserer nächsten AirBnB-Gastwirtin erreicht. Sie empfiehlt uns dringend nicht in den Westen zu fahren. Was in Nelson ein paar Stunden Regen waren, war an der Westküste ein Sturm mit Überschwemmungen, eingestürzten Brücken und entwurzelten Bäumen. 

 

 

 

Wir nehmen die Warnung ernst und planen innerhalb von zwei Stunden die komplette Route um, was wir nicht bereuen werden: In Franz Josef herrscht ein paar Tage später Ausnahmezustand: Durch eine komplette Strassensperrung in alle Richtungen, sind die Bewohner und Touristen eingeschlossen. In der Ortschaft gibt es genau einen kleinen Lebensmittelladen, dem schon nach kurzer Zeit die Vorräte ausgehen, weshalb sich die Touristen schliesslich mit Hubschraubern (ein Flug kostet hierbei 600.— pro Person) ausfliegen lassen. 

 

Wir sind überglücklich, dass wir rechtzeitig gewarnt wurden und reagieren konnten. Danke, Marian! <3

 

Also fahren wir von Nelson aus an die Ostküste und landen am ersten Tag in Kaikoura. Der Ort ist für seine Whale Watching Touren bekannt. Da ich bisher mit den Wildtieren ja nicht so wirklich Glück hatte, möchte ich mein Glück unbedingt versuchen. Also besteigen wir als komplette Familie das Boot und hoffen alle inständig, dass wir nicht seekrank werden. 

 

Nach fünf Minuten schwimmt der erste Seehund an uns vorbei und kurze Zeit später geschieht das Wunder: Vor uns taucht eine komplette Orca-Familie auf. Mami, Papi und zwei Kinder schwimmen parallel zum Boot mit uns mit und obwohl ich schon immer grossen Respekt vor dem Meer hatte, wird mir in diesem Moment bewusst, dass das einer der schönsten Momente meines Lebens ist. Ich kann es kaum glauben, wie wunderschön diese Wesen sind und wie sehr sie mich beeindrucken. Ich könnte ihnen stundenlang zuschauen, wie sie grazil auf- und abtauchen, gemeinsam einem Rhythmus folgen und dabei ihre ganze Grösse und Kraft unter Beweis stellen. 

 

Neben der Orca-Familie sehen wir noch zwei Buckelwale, ein einzelnes Orca-Männchen und mehrere Hector-Delfine. Ich mache Fotos und Videos, doch ich merke schnell, dass hier das Erleben und beobachten so viel schöner und wichtiger ist, als der Blick durch die Linse. Es geht darum, den Moment zu geniessen und im Herzen festzuhalten und genau das mache ich – und fühle mich dabei frei und glücklich. Danke, Natur. Danke, dass wir das erleben durften – auch wenn Claudia auf dem Rückweg doch noch leicht (…) schlecht wird.

Neben den Walen und Delfinen dürfen wir in Kaikoura auch Seehunde bewundern. Die ersten entdecken wir schon bei der Hinfahrt aus Nelson, als sie plötzlich direkt neben der Strasse auf den Felsen entlang der Küste liegen. In einer Parkbucht halten wir kurz an und starren hinaus aufs weite Meer, bis wir plötzlich aus nächster Nähe ein Rufen hören. Kurz darauf kriecht nur drei Meter von uns entfernt eine Robbe hinter einem Felsen hervor und watschelt langsam Richtung Meer. Maël möchte die Robbe am liebsten zum Kuscheln mit ins Bett nehmen, wir beschliessen aber trotzdem, ohne sie weiterzufahren.

 

Am nächsten Tag besuchen wir schliesslich einen Küstenabschnitt, an dem eine komplette Seehundkolonie lebt. Hier können wir die Tiere aus nächster Nähe beobachten, während wir gleichzeitig Muscheln und Albatrosse bewundern.

Von Kaikoura aus wollen wir mit einem Zwischenstopp in Geraldine nach Queenstown fahren, das in der Inselmitte liegt. Und wieder kommt uns die Naturgewalt in die Quere. Wegen Überschwemmungen sind alle Strassen in den Süden gesperrt. So können wir zwei Tage lang nichts anderes machen, als möglichst weit in die richtige Richtung zu fahren und dann kurzfristig einen Schlafplatz zu suchen. Letzteres ist plötzlich gar nicht mehr so einfach, da viele AirBnBs ihre Unterkünfte als Notunterkünfte für die Überschwemmungsopfer der Westküste zur Verfügung stellen. Trotzdem finden wir in Christchurch und Fairlie einen Schlafplatz und sind jeweils am Tagesende froh, trotz Chaos, Stau, stündlichen Routenänderungen und Unterkunftssuche doch an so tolle Orte zu kommen und jegliches Hindernis mit Ruhe und Gelassenheit zu meistern.

 

Während hier auf der Südinsel also hauptsächlich Überschwemmungschaos herrscht, bricht auf White Island auf der Nordinsel der Vulkan aus und hinterlässt viele Tote. Touristen wie wir – und ja, auch Claudia hat sich vor drei Wochen überlegt, genau diesen Vulkan zu besichtigen. Und wären wir ohne Kinder unterwegs gewesen, hätte ich sie bei ihrem Traum sicherlich auch begleitet. Wäre das Leichtsinn gewesen? Keine Ahnung. Ein Vulkan kann immer ausbrechen, das ist klar. Trotzdem vertraut man den Anbietern vor Ort, die Infos über die aktuellen Messungen haben – Infos, die man als Touristin nicht so schnell zur Hand hat. Auf jeden Fall ist uns bewusst, dass es auch unsere Familie hätte treffen können – ich bin so dankbar, dass das nicht der Fall ist.

Fünf Tage nach unserer Abfahrt in Nelson kommen wir schliesslich in Queenstown an. Queenstown ist eine kleine Stadt am Lake Wakatipu, umgeben von einer wunderschönen Alpenkulisse. Im Winter gehen die Neuseeländer hier Skifahren, im Sommer locken Wanderungen, Bungeejumping und Jetbootfahren. 

 

Der Ort ist sehr touristisch, doch in der Grösse eines kleinen Städtchens tut uns das nach der vielen Natur der letzten Monate auch gut. Wir schlendern am See entlang, holen uns asiatische TakeAway-Köstlichkeiten, geniessen Oven-fresh-Cookies und leckere Icecream von Patagonia Chocolates. Auf dem Spielplatz wird ersichtlich, dass auch hier das Wasser höher liegt, als es sonst der Fall ist: Die Rutschbahnen sind abgesperrt, da die Kinderlein direkt im See landen würden… Das erklärt auch all die Sandsäcke, die in der ganzen Stadt verteilt sind.

 

Tagsüber wandern wir um den Moke Lake, klettern auf Bäume und geniessen den atemberaubenden Ausblick aus unserem Apartment: Dank riesiger Panoramafenster und -türen sehen wir über ganz Queenstown, den See und die Bergkulisse, egal ob wir gerade im Bett liegen oder am Esstisch sitzen. 

 

Die Panoramafront ist echt der Hammer – wenn man nicht Claudia heisst… Als sie mit den Kindern gerade alleine zu Hause ist und Léan auf der Terrasse spielt, sieht Claudia unsere kleine Maus aus dem Augenwinkel plötzlich runterfallen. Supermamma Claudia will ihre Tochter retten und stürzt sich so schnell sie kann durch die Türe zum potentiellen Unfallopfer – nur dass sie dabei übersieht, dass die Türe geschlossen ist. Also rennt sie voller Wucht in unsere wunderbare Panoramatür und wird mit blutender Nase und einer schnell grösser werdenden Beule auf den Boden katapultiert, während Léan von aussen verwirrt auf ihre Mamma schaut, die einfach in geschlossene Türen rennt und anschliessend halb bewusstlos auf dem Boden liegt, obwohl es dafür gar keinen Grund gibt: Léan ist nämlich einfach eine winzige Stufe runtergehüpft und danach unbekümmert lächelnd wieder hochgestiegen…

 

Zum Glück erweisen sich unsere Kinder als die perfekten Rettungssanitäter: In Windeseile bastelt Maël aus Papier einen Arztkoffer und Léan verabreicht ihr professionell ein paar imaginäre Spritzen – und so ist mir Claudia auch nur ein kleines Bisschen böse, als ich doch ein bisschen lachen muss, als mir mein Hühnerhaufen nach meiner Rückkehr von den Erlebnissen der letzten Stunde erzählt… ;-)

Am letzten Tag in Queenstown unternehmen Maël und ich noch einen Ganztagesausflug nach Te Anau. Dort besuchen wir die Glowworm Caves. Claudia bleibt mit Léan in Queenstown, da die Höhle erst ab fünf Jahren empfohlen ist, was ich nach dem Besuch so auch komplett unterstütze. 

 

Die ganze Höhle ist acht Kilometer lang und kann nur von professionellen Höhlentauchern durchschwommen werden, wofür diese mindestens vier Tage brauchen. Als Laie kann man jedoch den vorderen Höhlenteil besuchen. Nach einer kurzen Strecke zu Fuss, bei der man auf unterirdische Seen, tosende Wasserfälle und gluckernde Flussläufe trifft, während man geduckt in immer dunkler werdende Gänge voranschreitet, kommt man zu einem Boot, das einen in kompletter Stille und absoluter Dunkelheit weiter in die Höhle hineinführt. 

 

Hierbei kann man an der Decke tausende funkelnde Glühwürmchen bewundern, die hier in Neuseeland etwas ganz anderes sind als bei uns in Europa: Während wir mit Glowworms einen Leuchtkäfer meinen, sind es hier in Neuseeland die leuchtenden Larven einer Mückenart. Diese Larven erstellen in der Höhle eine Art Spinnennetzfäden, die sie von der Decke hängen lassen. Mit ihrer leuchtenden Schwanzspitze locken sie andere Insekten an, die anschliessend an den Fäden klebenbleiben und somit von den Larven verzehrt werden können.

 

Für uns Menschen erscheinen diese Glowworms als funkelnder Sternenhimmel, unter dem wir in mystischer Ruhe in totaler Dunkelheit vorbeigleiten. Maël und ich sind tief beeindruckt und geniessen auch diesen Moment komplett ohne Fotos, die hier zum Einen verboten sind und zum Anderen auch gar nicht widergeben könnten, was wir mit unseren eigenen Augen gesehen und erlebt haben.

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Kommentare: 3
  • #1

    Francesca (Montag, 16 Dezember 2019 12:29)

    Oh danke für den perfekten trowback, danke für die schönen fotos und wow auch wir haben die glowworms im herzen sooooooo magschisch �
    Herzgruss
    Francesca

  • #2

    Alex 2. (Montag, 16 Dezember 2019 19:49)

    Hahahah Claudia!!! Gute Besserung du arme!!!

  • #3

    Katia (Montag, 16 Dezember 2019 21:47)

    frau o frau... unglaublich was da alles vorgefallen ist die letzten tagen! sorellina dir ganz gute besserung�� und weiterhin spannende und tolle momente zusammen!! bacio an euch alle�